„(Re)Born from Volcanos“: Eine Ausstellung ohne Feuer, nur mit Asche

„(Re)Born from Volcanos“: Eine Ausstellung ohne Feuer, nur mit Asche
Studio-Santiago

Die IFA-Galerie Stuttgart präsentiert mit „(Re)Born from Volcanos“ eine Ausstellung, die auf dem Papier vielversprechend klingt. Die Titelwahl suggeriert eine Auseinandersetzung mit den unbändigen Kräften der Natur, die Erneuerung und Zerstörung vereinen – ein Konzept, das durchaus faszinierend sein könnte, würde es konsequent und mutig umgesetzt. Die eingeladenen Künstler, darunter Seba Calfuqueo, Santos Chávez, Neyen Pailamilla und Antonio Paucar, bringen Themen von Migration, kulturellen Transfers und postkolonialen Bewegungen in den Diskurs. Doch wie schon bei vielen zeitgenössischen Ausstellungen scheint auch hier die kuratorische Handschrift einen vorgefertigten Rahmen aufzuzwingen, der den Werken und ihren Inhalten keinen Spielraum für tatsächliche Exploration lässt.

Das versagende Element der Metaphorik: Vulkane als platte Symbole

Das Motiv des Vulkans, in seiner archaischen Bildhaftigkeit, ist ein starkes Symbol: Vulkane veranschaulichen das Ausbrechen, das Aufwühlen und die unkontrollierte Macht. Sie sind Sinnbilder für Naturkräfte, die sich weder einfangen noch lenken lassen. Doch genau hier versagt „(Re)Born from Volcanos“ auf ganzer Linie, denn die vulkanische Bildsprache wird in der Ausstellung zu einer überstrapazierten Allegorie, die sich in simplen, unreflektierten Metaphern erschöpft. Statt die brachiale Energie eines Vulkanausbruchs zu nutzen, um das Publikum in einen Strudel aus Unvorhersehbarkeit und Intuition zu ziehen, bleibt die Ausstellung auf dem Niveau verwaschener Andeutungen.

Es bleibt unklar, ob die Kuratoren wirklich die tiefere Bedeutung des Vulkans – als Quelle unerschöpflicher Energie und als ewiger Kreislauf von Tod und Wiedergeburt – verstanden haben, oder ob sie ihn lediglich als leicht konsumierbares Element für einen oberflächlichen Effekt nutzten. So wird der Vulkan in „(Re)Born from Volcanos“ zu einem trivialisierten Symbol, dessen potentielle Kraft vollständig untergraben wird. Was bleibt, ist ein Vulkan, der statt Feuer und Lava nur Asche und Staub hervorbringt.

Seba Calfuqueo: Ein verschüttetes Potenzial

Nehmen wir Seba Calfuqueos Arbeiten als Beispiel. Calfuqueo, ein Künstler mit mapuche-indigenen Wurzeln, ist bekannt dafür, die Kontraste und Konflikte zwischen Natur und kolonialem Erbe anzusprechen. Seine Werke, die oft auf den kulturellen Wunden beruhen, die die indigene Bevölkerung erleiden musste, könnten eine Brücke zwischen der vulkanischen Metaphorik und den sozialen Themen schlagen. Doch leider bleibt sein Werk in der Ausstellung wie festgesetzt, als ob die eigentliche Brisanz seiner Aussagen durch den kuratorischen Filter gezähmt worden wäre.

Calfuqueos Werk hat das Potenzial, uns die Verbindung zwischen geologischer Gewalt und sozialer Realität vor Augen zu führen. Das Aufbrechen, das „Erwachen“ eines Vulkans könnte als ein Sinnbild für das Aufbäumen gegen jahrhundertelange Unterdrückung und für den Schmerz stehen, der die kulturellen Traditionen der Mapuche begleitet. Doch in der Ausstellung verkommt dieser Ausdruck zu einem dekorativen Element, das fast gezwungen eine Spannung erzeugen soll, die jedoch niemals wirklich entsteht.

Santos Chávez: Ein weiterer Fall von Unterschätzung des Themas

Ähnlich wie bei Calfuqueo verhält es sich mit den Arbeiten von Santos Chávez, einem weiteren Künstler mit mapuche-indigenem Erbe. Chávez beschäftigt sich in seiner Kunst oft mit den Wunden der Kolonialisierung und den kulturellen Verwerfungen, die der indigene Widerstand gegen die europäische Hegemonie mit sich brachte. Seine Werke hätten die vulkanische Metaphorik eindrucksvoll erweitern können, indem sie nicht nur die zerstörerische Gewalt eines Ausbruchs zeigen, sondern auch die stille Kraft, die unter der Erde ruht und auf den richtigen Moment wartet.

Doch anstatt diese Spannung zu spüren, die unterschwellige Drohung einer unausweichlichen Eruption, die auf die Befreiung hinweist, werden seine Arbeiten hier auf die Bedeutung eines touristischen Werbeplakats reduziert. Die Vermittlung seiner Themen wirkt beiläufig und pflichtschuldig, als ob die Werke lediglich den Anspruch auf „gesellschaftliche Relevanz“ erfüllen sollen. Chávez wird so seiner Ernsthaftigkeit beraubt und degradiert zum bloßen Requisit in einem inszenierten Theater, das nur vorgibt, tiefgründig zu sein.

Neyen Pailamilla: Die Metaphorik zerbricht endgültig

Ein weiteres Beispiel für das Misslingen der vulkanischen Metaphorik bietet die Künstlerin Neyen Pailamilla. Sie setzt sich mit den Themen kultureller Identität und indigener Herkunft auseinander und ist bekannt für ihre intensive Beschäftigung mit dem Erbe der mapuche-indigenen Bevölkerung. In der Ausstellung wird ihre Arbeit zwar angemessen präsentiert, aber der Kontext wirkt aufgesetzt und gezwungen. Statt einer natürlichen Verbindung zwischen der Thematik und der Naturgewalt eines Vulkans zu schaffen, wirkt es, als ob Pailamillas Werk gezwungen in einen Rahmen gepresst wurde, in dem es seine eigentliche Aussagekraft verliert.

Der Vulkan als Sinnbild einer kollektiven Erhebung und als Symbol für das Aufbrechen alter Wunden passt nicht zu den feineren Nuancen ihrer Kunst, die eine leise, aber dennoch kraftvolle Art der Auseinandersetzung mit ihrem kulturellen Erbe verkörpert. In der Ausstellung wird Pailamillas Arbeit jedoch ihrer Tiefe beraubt und in eine banale Interpretation der „Wiedergeburt“ gezwungen – ein Konzept, das ihre Kunst nicht nur falsch darstellt, sondern fast schon ins Lächerliche zieht.

Die Raumnutzung: Eine Landschaft aus Pappmaché

Auch die räumliche Inszenierung enttäuscht. Die Galerie wurde so gestaltet, dass Besucher durch eine Art „vulkanische“ Szenerie wandeln, die jedoch mehr an eine schlecht durchdachte Schulprojekt-Kulisse erinnert als an eine ernstzunehmende künstlerische Installation. Die Versuche, eine Atmosphäre des Unerwarteten und Bedrohlichen zu schaffen, scheitern kläglich. Pappmaché-Strukturen, die Gestein nachahmen sollen, und eine düstere Beleuchtung, die an einen schlechten Horrorfilm erinnert, ersticken jeden Ansatz von ästhetischer und thematischer Authentizität.

Statt eines reflektierten Umgangs mit der Naturkraft des Vulkans bietet die Raumnutzung eher eine kitschige Kulisse, die den Werken der Künstler mehr schadet als nutzt. Der Versuch, eine bedrohliche Umgebung zu kreieren, entlarvt sich als bloßer Showeffekt, der weder die Dramatik noch die Energie eines Vulkanausbruchs auch nur annähernd erfassen kann.

Begleitprogramme: Eine ironische Farce

Die begleitenden Veranstaltungen wie die Kochsession und der Bewegungsworkshop wirken wie ein verzweifelter Versuch, den Eventcharakter der Ausstellung zu verstärken. Die Workshops, die angeblich tiefere kulturelle Kontexte erfahrbar machen sollen, muten eher wie Pseudo-Inklusivität an. Statt echter kultureller Tiefe wird dem Publikum ein Erlebnischarakter geboten, der wenig Substanz und noch weniger Bedeutung besitzt.

Die Entscheidung, Kochkurse und Bewegungsworkshops in diese Ausstellung einzubauen, wirkt wie eine seltsame Inszenierung von Kulturaustausch, der in seiner Oberfläche steckenbleibt und nichts zur eigentlichen Thematik beiträgt. Eine Art Disney-Version der Kultur, in der das Publikum sich kulturell „einfühlen“ soll, ohne sich ernsthaft mit der Problematik auseinanderzusetzen.

Fazit: Ein verpasster Ausbruch

Zusammengefasst bleibt die Ausstellung „(Re)Born from Volcanos“ eine Enttäuschung. Statt die explosive und kathartische Natur des Vulkans in eine starke künstlerische Metapher zu übersetzen, verkommt das Konzept zur platten Bildhaftigkeit und gefälligen Oberflächlichkeit. Die Werke der Künstler sind nicht die authentischen Stimmen, die sie sein könnten, sondern werden zu bloßen Symbolen degradiert.

Die Galerie hätte hier die Möglichkeit gehabt, ein echtes Erdbeben in der Kunstwelt auszulösen – einen Ausbruch der Konventionen und eine Konfrontation mit der Kraft der Natur und den Tiefen der kulturellen Wunden. Doch stattdessen ist die Ausstellung kaum mehr als eine Schicht vulkanischer Asche, die sich legt und nichts als grauen Staub hinterlässt. Stuttgart, das einst für seine lebhafte Kunstszene bekannt war, bleibt in dieser Ausstellung unter einer fahlen Decke von Beliebigkeit und mangelndem Mut verborgen.

Mehr Informationen zur Ausstellung: https://www.ifa.de/en/exhibition/re-born-from-volcanos-exhibition-ifa-gallery-stuttgart

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