Tim Bengels „Superkraut“-Skulptur, jüngst vor dem StadtPalais Stuttgart enthüllt, könnte als Inbegriff dessen gelten, was in der zeitgenössischen Kunst nicht nur schiefläuft, sondern regelrecht auf Abwege gerät. Der Künstler, der in der Vergangenheit durch die Verwendung von Gold und Sand Aufmerksamkeit erregte, scheint hier jegliches Gefühl für Subtilität, Kontext und Bedeutung verloren zu haben. Stattdessen präsentiert er der Welt ein überdimensioniertes Edelstahl-Gemüse, das mehr nach einer unglücklichen Kreuzung zwischen einem kulinarischen Gimmick und einer missratenen Science-Fiction-Requisite aussieht, als nach einem ernstzunehmenden Kunstwerk.
Schon die bloße Idee, ein Filderkraut – ein Gemüse, das wohl jeder Stuttgarter kennt, aber kaum jemand jemals wirklich beachtet hat – zu einem „Superkraut“ zu verklären, zeigt eine bedauerliche Mischung aus Ideenarmut und Größenwahn. Bengel versucht, uns weiszumachen, dass ein übergroßes Stück Blech, das einen Kohlkopf nachbildet, plötzlich zum kulturellen Ankerpunkt werden kann. Doch was bleibt von dieser Pseudo-Hommage an die regionale Identität? Nichts als eine glänzende Oberfläche, die keine Fragen aufwirft, keine Diskussion anregt und vor allem keinerlei emotionale oder intellektuelle Tiefe besitzt. Statt das lokale Symbol in einem neuen Licht zu zeigen, verpasst Bengel es, irgendeine relevante Verbindung zwischen dem Filderkraut und der Gegenwart herzustellen.
Die Skulptur steht da, wie ein überdimensionierter Alien aus der schieren Bedeutungslosigkeit, kalt und unnahbar, und starrt auf eine Stadt herab, die Besseres verdient hätte. Es ist, als würde sie die Passanten verhöhnen, die verzweifelt nach irgendeiner Bedeutung suchen – und nur Edelstahl finden. Es gibt Kunst, die einen dazu bringt, innezuhalten, nachzudenken, vielleicht sogar den eigenen Platz in der Welt neu zu überdenken. Und dann gibt es das „Superkraut“, das einen vor allem dazu bringt, den Kopf zu schütteln und sich zu fragen, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
Wäre Bengel zumindest in seiner Ironie konsequent gewesen, könnte man der Skulptur noch einen gewissen subversiven Witz zugestehen. Doch selbst in diesem Aspekt versagt das Werk auf ganzer Linie. Es wirkt nicht wie eine bewusste Persiflage, sondern eher wie ein schlecht durchdachter Marketinggag, der den kulturellen Wert des Filderkrauts auf ein „Superfood“ reduziert – eine Modeerscheinung, die genauso schnell vergehen wird, wie sie aufgetaucht ist. Es ist, als hätte Bengel die Idee in einem hippen Berliner Café aufgeschnappt und sie ohne weiteres Nachdenken direkt in Edelstahl gegossen.
Das Timing der Enthüllung könnte nicht zynischer sein. Während Stuttgart mit drängenden Bildungsproblemen kämpft und über die Zukunft der Stadt debattiert, schiebt Bengel dieser gebeutelten Metropole ein Stück postmodernes Nichts unter die Nase. Die Stadt versucht krampfhaft, ihre Vergangenheit zu feiern, doch diese überdimensionale Kraut-Attrappe zeigt nur, wie sehr sie dabei versagt, eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen. Es ist ein tragisches Symbol für die Verschwendung von Ressourcen, die in einer Zeit, in der es an allen Ecken und Enden an wichtigerem fehlt, besonders bitter aufstößt.
Doch vielleicht ist das „Superkraut“ auch einfach das, was es ist: ein massiver, glänzender Haufen Nichts. Es steht da, schweigend, kühl und bedeutungslos, und erinnert uns daran, dass selbst in einer Stadt mit so viel Geschichte und Kultur wie Stuttgart, die Kunst in der Lage ist, sich in pure Trivialität aufzulösen. Was bleibt? Eine glänzende Hülle, die nichts weiter umhüllt als den schalen Nachgeschmack von verschwendetem Potential. Stuttgart hätte etwas Besseres verdient, doch stattdessen muss es sich nun mit dieser monumentalen Hommage an die absolute Mittelmäßigkeit zufriedengeben.