Über die Ausstellung: Surrealismus – Welten im Dialog in Heilbronn
Die Ausstellung „Surrealismus – Welten im Dialog“ in der Kunsthalle Vogelmann verspricht eine Hommage an die surrealistische Bewegung und ihre anhaltende Relevanz in der Kunstgeschichte. Doch was uns hier tatsächlich präsentiert wird, ist eine schwache Wiederholung vergangener Visionen, die – wie so oft bei retrospektiven Ausstellungen – die künstlerische Kraft des Surrealismus in die Falle der musealen Glätte tappen lässt. Trotz des historischen Anspruchs und des beeindruckenden Line-Ups von über 120 Exponaten, die sich über fast ein Jahrhundert erstrecken, bleibt die Schau merkwürdig distanziert. Wo ist die schöpferische Unordnung, die absurde Provokation, die den Surrealismus einst so unverwechselbar machte?
Betrachtet man die Bilder in der Ausstellung, so scheint es fast, als wolle sie den Surrealismus domestizieren. Was einst das Tor zum Unbewussten öffnete, wirkt hier wie eine sorgfältig inszenierte Bühne, auf der Altbekanntes und Erwartbares abläuft. Werke von Magritte und Max Ernst, einst Wegbereiter für neue Denk- und Sehweisen, verlieren in diesem musealen Rahmen ihre ursprüngliche Schärfe. Der Dialog mit zeitgenössischen Künstlern wie Cindy Sherman oder Sarah Lucas bleibt seltsam oberflächlich – mehr eine formale Gegenüberstellung denn eine tatsächliche Verhandlung surrealistischer Ideen im heutigen Kontext.
Ein Bild wie das von Sarah Lucas, in dem eine Frau mit auf dem T-Shirt platzierten Spiegeleiern apathisch in einem Sessel sitzt, soll wohl eine Absurdität der Alltagsgegenstände heraufbeschwören – doch was bleibt, ist ein banaler Kommentar über Geschlechterrollen, der in seiner grellen Direktheit wenig von der subtilen Tiefgründigkeit des historischen Surrealismus erbt. Lucas‘ Versuch, mit feministischen Themen zu spielen, indem sie Objekte wie Eier als vulgäre Symbole des Frauseins verwendet, mag in den 90ern als frischer Akt der Revolte erschienen sein, doch heute wirkt es bestenfalls müde, schlimmstenfalls abgedroschen. Die distanzierte Pose der Figur unterstreicht den Zynismus dieser Darstellung, doch sie lässt uns als Betrachter kalt – die Provokation verpufft ins Leere.
Ähnlich verhält es sich mit dem anderen Bild, das eine Frau mit einem Wurm im Mund zeigt – surrealistische Körperlichkeit, gewiss, aber ohne den Schock des Neuen. Der Wurm, ein Symbol für die Invasion des Fremden, für die Perversion und das Abstoßende, ist hier mehr eine bequeme Metapher, die längst ihren Schrecken verloren hat. Das Bild versucht, uns zu ekeln oder zu verstören, doch erreicht es nur einen vagen Abscheu, der von der Ästhetisierung des Unheimlichen gebändigt wird. Die ursprünglich subversive Kraft der surrealistischen Körperdarstellung ist hier reduziert auf einen Effekt, der längst vom Mainstream der Kunstwelt verdaut wurde.
Die Ausstellung „Welten im Dialog“ verpasst es, den Surrealismus neu zu denken. Anstatt den surrealistischen Ansatz auf aktuelle Fragen anzuwenden und dessen radikale Kraft zu reaktivieren, bleibt sie eine rückwärtsgewandte Schau, die wenig Neues zu bieten hat. Wir werden Zeugen der Entzauberung einer Bewegung, die einst die Grenzen des Bewusstseins sprengte und nun in den polierten Hallen der Kunstinstitutionen erstickt.
Mehr Informationen zur Ausstellung: https://museen.heilbronn.de/kunsthalle-vogelmann/ausstellungen/aktuell.html