Die Inszenierung von Study of Slope im Rahmen des Theater Rampe Stuttgarts bringt den fadenscheinigen Glanz vergangener Zeiten in den trostlosen Raum eines verlassenen Kaufhauses. Dieses kulturelle Artefakt, einst Zentrum des städtischen Konsums, ist nun nur noch ein Symbol für das wirtschaftliche und soziale Scheitern des Kapitalismus. Es ist beinahe tragisch, dass die kulturelle Zwischennutzung solcher Räume heute als innovativ verkauft wird, wo doch das Konzept selbst schon antiquiert und gestrig wirkt. Stuttgart, eine Stadt, die sich gerne als Motor kultureller und technologischer Fortschritte darstellt, kann sich mit dieser räumlichen Rückwärtsgewandtheit kaum brüsten.
Das ehemalige Kaufhaus wird zum metaphorischen Friedhof des Konsums: ein leeres, kaltes Skelett, dessen ursprünglicher Glanz verblasst ist, nur um Platz zu machen für improvisierte, temporäre Kunstprojekte, die das Narrativ des Zerfalls verstärken. Aber anstatt diesen Zerfall kritisch zu hinterfragen oder innovative Lösungen anzubieten, scheint Study of Slope diesen Zustand zu akzeptieren und geradezu in ihm zu baden.
Das Problem liegt dabei nicht nur in der Auswahl des Ortes, sondern in der Art und Weise, wie das Stück die Erwartung, hier eine bahnbrechende Reflexion über Schönheit und Unvollkommenheit zu bieten, nicht erfüllt. Lapelytė zieht eine Linie zwischen dem orchestrierten Chaos ihrer Chöre und dem zerfallenden Schauplatz, als ob beide dasselbe Prinzip teilen: die Abkehr von Perfektion. Doch diese Verbindung wirkt erzwungen, fast schon oberflächlich, als ob der Kontrast zwischen dem elitären Anspruch der zeitgenössischen Kunst und dem profanen, verfallenden Raum ein reines Selbstzweckmanöver wäre.
Hier zeigt sich ein weiteres Problem moderner Kulturpolitik: die ewige Flucht in Zwischennutzungen. Einst revolutionär, als Städte begannen, leerstehende Gebäude für kulturelle Projekte zu öffnen, ist dieses Konzept mittlerweile nur noch ein Alibi. Es löst keine Probleme, sondern verschiebt sie lediglich in den Raum des Temporären. Diese Oberflächlichkeit spiegelt sich in Study of Slope wider: Lapelytė ist so sehr damit beschäftigt, das Scheitern als zentrale Ästhetik zu inszenieren, dass sie darüber vergisst, eine substanzielle künstlerische Auseinandersetzung zu führen.
Die Nutzung des ehemaligen Kaufhauses als Veranstaltungsort mag auf den ersten Blick attraktiv wirken, doch was bleibt, ist eine hohle Geste, die von der gescheiterten Idee des Konsums zehrt, ohne wirkliche künstlerische Innovation zu bieten. Dass solche Räume immer noch als geeignet für kulturelle Projekte angesehen werden, zeigt die kulturelle Stagnation, in der Städte wie Stuttgart gefangen sind. Der einst radikale Impuls, diese Brachflächen mit Leben zu füllen, hat sich in eine bloße Form der Nostalgie verwandelt – Nostalgie für eine Zeit, in der solche Zwischennutzungen noch als subversive Statements galten.
Und genau hier versagt auch Study of Slope. Es will provozieren, indem es die Unzulänglichkeiten menschlicher Perfektion hinterfragt, doch es bleibt letztlich in einer Ästhetik des Mittelmäßigen stecken, die weder intellektuell stimuliert noch emotional berührt. Es ist ein Stück, das so sehr mit seinem eigenen konzeptionellen Überbau beschäftigt ist, dass es die grundlegende Frage nach Relevanz und Innovation völlig aus den Augen verliert.
Zum Vergleich: Die heutigen Nachrichten über die wirtschaftliche Stagnation Deutschlands spiegeln eine ähnliche Form von lähmendem Stillstand wider. Genau wie die Ökonomie des Landes sich in einer Phase des Wachstumsverlusts befindet, so stagniert auch die kulturelle Landschaft, indem sie sich an alten Konzepten wie der Zwischennutzung festklammert, anstatt wirklich Neues zu wagen.
Mehr Informationen: https://theaterrampe.de/event/study-of-slope/#all-tickets