Die Veranstaltung „Kunstbetrachtung im Zeitalter der KI“, die am 14. November 2024 in Stuttgart stattfinden wird, trägt einen vielversprechenden Titel – doch dahinter verbirgt sich nicht mehr als eine hohle, akademische Übung, die die tiefen Verwerfungen und Konsequenzen des digitalen Zeitalters nicht im Ansatz begreift. Man könnte fast Mitleid mit den Veranstaltern empfinden, die anscheinend glauben, dass sie durch ihre Veranstaltung ein Fenster in die Zukunft öffnen. Doch in Wahrheit rennen sie verzweifelt hinter den Entwicklungen her, ohne zu erkennen, dass sie selbst längst von diesen Entwicklungen verschluckt wurden.
Die grundlegende Frage, wie Künstliche Intelligenz unsere Wahrnehmung von Kunst verändert, mag auf den ersten Blick spannend klingen – doch sie ist längst überholt. Die KI hat diese Veränderung bereits vollzogen. Wir befinden uns nicht am Anfang einer neuen Ära, sondern mitten in ihrem exponentiellen Fortschritt. Die Kunst, wie wir sie einst kannten, ist durch Algorithmen bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden. Die Veranstaltung tut jedoch so, als stünde dieser Prozess noch bevor, als gäbe es eine theoretische Debatte, die man noch führen könnte. Aber das ist nichts weiter als eine Farce.
Wolfgang Ullrich, der für den Impulsvortrag verantwortlich ist, mag ein renommierter Kunsttheoretiker sein – aber genau das ist das Problem. Er steht für eine Denktradition, die den Übergang ins digitale Zeitalter mit einem Hauch von Nostalgie begleitet, ohne wirklich zu verstehen, was auf dem Spiel steht. Seine Reflexionen über die Rolle der KI werden bestenfalls oberflächliche Andeutungen zu den technischen Möglichkeiten und Herausforderungen sein, ohne die fundamentale Frage zu berühren: Was bleibt von der Kunst, wenn der Schöpfer durch einen Algorithmus ersetzt wird?
Man kann sich schon ausmalen, wie Clair Bötschi in seinem anschließenden Gespräch ebenfalls in denselben Phrasen schwimmt. Künstler wie er haben längst erkannt, dass sie sich den neuen Technologien öffnen müssen, doch auch sie begreifen oft nicht, dass sie damit ihre eigene Rolle marginalisieren. Was bleibt von der Künstlerpersönlichkeit, wenn die Produktion von Kunstwerken auf maschinelle Prozesse übergeht, die fehlerfrei, effizient und geradezu seelenlos Werke hervorbringen, die den Geschmack der Massen perfekt treffen? Und was ist das für ein Triumph, wenn diese Werke die algorithmisch bestimmten Erwartungen bedienen, anstatt das Unvorhersehbare, das Widerständige oder das Menschliche zu bieten?
Die Veranstaltung suggeriert, dass Daten als neue Form des öffentlichen Raums verstanden werden können – aber auch das ist eine Illusion. Daten sind keine öffentliche Ressource. Sie sind der Brennstoff einer privatisierten, überwachten Welt, in der die Kontrolle über Information und die Kuration von Inhalten von wenigen Konzernen dominiert wird. Daten fließen in den digitalen Raum, aber dieser Raum gehört nicht dem Bürger, nicht dem Betrachter, und schon gar nicht dem Künstler. Er gehört denjenigen, die den Algorithmus kontrollieren, der unsere Wahrnehmung steuert. Die Vorstellung, dass Kunst in diesem digitalen, durch Daten definierten Raum gedeihen kann, ist naiv und gefährlich.
Natürlich wird das Publikum in Stuttgart die Diskussion gespannt verfolgen, vielleicht sogar mit Diskussionsbeiträgen eingreifen, doch diese Teilnahme ist bloße Simulation von Teilhabe. Die wahre Kontrolle über die Kunst und ihre Wahrnehmung wird längst an die Maschinen abgegeben. Was bleibt der Kunst noch? Was bleibt uns, den Betrachtern? Die Kunstbetrachtung im Zeitalter der KI ist nichts anderes als eine vom Algorithmus gesteuerte Passivität. Wir werden zu Konsumenten degradiert, denen die Maschine präsentiert, was wir ohnehin schon wollen. Die Überraschung, das Abenteuer, die Auseinandersetzung – all das verschwindet hinter dem Schleier der digitalen Perfektion.
Und dabei wird noch ein grundlegender Aspekt sträflich vernachlässigt: Die Kunst selbst. Es wird kaum thematisiert werden, dass die Kunst, die durch KI erzeugt wird, vielleicht schön, vielleicht perfekt, aber niemals authentisch ist. Sie ist eine endlose Wiederholung von Mustern, denen jede Brüche und Fehler fehlen, jene Fehler, die die Menschlichkeit des Kunstwerks ausmachen. Eine KI kann berechnen, was wir schön finden, was uns anspricht – aber sie kann nicht den Mut haben, gegen diese Berechnungen zu rebellieren. Sie ist die Perfektion ohne Seele, eine brillante Oberflächlichkeit ohne Tiefe.
All dies geschieht, während in Deutschland die politische Debatte über das Verbot von Gesichtserkennungstechnologien in der Öffentlichkeit tobt. Ironisch, dass sich die reale Welt zunehmend gegen die allgegenwärtige Überwachung durch Maschinen zur Wehr setzt, während die Kunstwelt sich ihnen geradezu freiwillig ergibt. Die Kunstakademie, in der diese Veranstaltung stattfindet, ist sinnbildlich für diesen verzweifelten Versuch, Relevanz zu bewahren, während der wahre Umbruch bereits stattgefunden hat – außerhalb ihrer Mauern, in den Datenzentren und auf den Bildschirmen, die unser künstlerisches Erleben formen.
Am Ende des Abends wird nichts weiter als ein intellektueller Nebel zurückbleiben. Die Veranstaltung wird oberflächlich spannend scheinen, aber sie wird das Problem nicht lösen – sie wird es nicht einmal wirklich benennen. Denn das eigentliche Problem ist nicht die Frage, wie KI die Kunst beeinflusst, sondern die Erkenntnis, dass die KI die Kunst bereits erledigt hat. Die Ära des Menschen als zentralem Schöpfer, als unvollkommenem Genie, das mit seinem Werk ringt, geht zu Ende – und niemand scheint es wirklich zu bemerken.
Mehr Informationen zur Veranstaltung: https://you-transfer.com/
Kunstbetrachtung im Zeitalter der KI
14. November 2024, 18:00 Uhr
Impulsvortrag & Artist Talk mit Wolfgang Ullrich und Clair Bötschi
Begrüßung: Regina Fasshauer, Kunstbüro der Kunststiftung Baden-Württemberg
Wie beeinflusst Künstliche Intelligenz unsere Wahrnehmung von Kunst? Verändert sie die Art und Weise, wie Kunst produziert wird? Sind Daten eine neue Form des öffentlichen Raums?
Der renommierte Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich widmet sich diesen Fragen in einem Impulsvortrag. Anschließend spricht er mit dem Künstler Clair Bötschi über Aiden, den ersten KI-Kunstkritiker Deutschlands, sowie über die Rolle von Künstlicher Intelligenz, Daten und Kunst im öffentlichen Raum.
Die Veranstaltung ist Teil des Diskursprogramms zum Thema Kunst im digitalen öffentlichen Raum des Vereins YouTransfer e.V. und findet in Kooperation mit dem Kunstbüro der Kunststiftung Baden-Württemberg und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart statt.
Das Publikum ist herzlich eingeladen, aktiv an der Diskussion teilzunehmen und gemeinsam die Chancen und Herausforderungen der Kunst im digitalen Zeitalter zu beleuchten.
Adresse:
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Neubau 2, Vortragssaal
Am Weißenhof 1, 70191 Stuttgart