Ah, wie entzückend – eine weitere Ausstellung, die sich mit der heiligen Dreifaltigkeit der zeitgenössischen Kunstszene schmückt: Aktivismus, Fürsorge und Choreographie. Unter dem verheißungsvollen Titel „Activist Choreographies of Care“ präsentiert die nGbK (Neue Gesellschaft für Bildende Kunst) in Berlin eine Sammlung künstlerischer Arbeiten, die sich mit Protestbewegungen, sozialen Kämpfen und Fürsorgepraktiken beschäftigen. Klingt ambitioniert, nicht wahr? Doch leider entpuppt sich diese Ausstellung als das, was viele Projekte dieser Art sind: eine theoretische Gymnastikübung mit viel Konzept und wenig Wirkung – quasi ein intellektueller Spagat, der am Ende doch nur in einer ungeschickten Bauchlandung endet.
Zwischen Aktivismus und Aktionismus: Ein Drahtseilakt ohne Netz
Zunächst einmal müssen wir uns fragen: Was bedeutet „Activist Choreographies of Care“ überhaupt? Nun, die Kuratoren möchten uns weismachen, dass Protestbewegungen und soziale Kämpfe eine eigene „Choreographie“ haben – also eine Struktur, eine Bewegung, ein gemeinsames Handeln. Klingt interessant? Vielleicht. Doch ist diese Metapher tatsächlich tragfähig, oder handelt es sich um eine der typischen akademischen Wortspielereien, die mehr nach einem missglückten TED-Talk klingen als nach einer ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung?
Denn eines ist klar: Protest ist chaotisch. Protest ist roh, spontan, oft unkontrollierbar. Die Idee, Protest als „Choreographie“ zu bezeichnen, wirkt wie ein intellektuelles Konstrukt, das mit der Realität wenig zu tun hat. Denn während die Künstler hier über Strukturen und Bewegungsmuster von Protesten referieren, werden draußen auf den Straßen tatsächlich Kämpfe ausgetragen. Braucht die Welt wirklich noch mehr kunsttheoretische Betrachtungen über Aktivismus – oder einfach mehr echten Aktivismus?
Der Performative Überdruss der Kunstwelt
Und dann dieses Wort: „Care“ – Fürsorge.
Ein Begriff, der in der Kunstwelt mittlerweile so überstrapaziert ist wie das Wort „nachhaltig“ in der Werbebranche. Selbstverständlich ist Fürsorge wichtig. Doch wenn wir ehrlich sind: Die Kunstszene pflegt dieses Konzept mit einem Elitismus, der alles andere als fürsorglich ist. Denn während hier in Galerien über Care-Work diskutiert wird, putzen Reinigungskräfte – oft unterbezahlt und unsichtbar – den Boden der Ausstellungshallen. Während Künstler sich in performativen Solidaritätsgesten ergehen, findet echte Fürsorge in Krankenhäusern, in Flüchtlingsunterkünften, in Pflegeheimen statt – und nicht in kunsttheoretischen Diskursen über Choreographien.
Für wen ist diese Ausstellung gedacht? Für die Protestierenden selbst? Wohl kaum – die haben besseres zu tun, als sich in einer Galerie mit theoretischen Kunstprojekten über ihre eigenen Kämpfe belehren zu lassen. Für das allgemeine Publikum? Sicher nicht, denn die Sprache der Ausstellung ist eine hermetische Blase aus kunsttheoretischen Begrifflichkeiten, die sich nur Eingeweihte gegenseitig zuwerfen wie Jongleure in einer Zirkusnummer.
Die Werke: Weder Tanz noch Revolution, sondern Konzeptmüdigkeit

Courtesy of perfocraZe International Artist Residency.
Nun, werfen wir doch einen Blick auf die künstlerischen Arbeiten selbst.
Die Ausstellung umfasst Performances, Videos und Installationen, die verschiedene Aspekte von Protest und Care beleuchten sollen. Klingt gut, oder? Doch die große Frage bleibt: Erlebt man hier etwas, das man nicht schon dutzendfach in anderen konzeptlastigen Gruppenausstellungen gesehen hat?
Ein typisches Beispiel: ein Video, das die Bewegungen von Protestierenden analysiert und choreographisch interpretiert. Ah, ein Klassiker! Fast jede zweite politisch inspirierte Ausstellung beinhaltet mittlerweile solche Arbeiten – sei es als Videoanalyse, als „dokumentarische Performance“ oder als symbolische Nachstellung. Gähn. Ist das noch Kunst oder einfach eine Art kunsthistorische PowerPoint-Präsentation?
Dann gibt es natürlich eine Installation, die sich mit Fürsorge im urbanen Raum beschäftigt – vielleicht eine Sammlung von Interviews, vielleicht eine interaktive Karte, vielleicht ein Raum mit Matten zum Ausruhen (weil Ruhe ja auch ein Protest sein kann, wie uns immer wieder versichert wird). Nett gemeint, aber wo bleibt das Risiko, wo bleibt die Radikalität? Ein paar Sitzsäcke und Poster mit Care-Theorie sind keine revolutionäre Geste, sondern eine komfortable Pose.
Und was wäre eine solche Ausstellung ohne eine Performance, die den Körper als politisches Medium untersucht? Vermutlich ein Künstler oder eine Künstlerin, die sich in Zeitlupe bewegt, während aus Lautsprechern ein Vortrag über postkoloniale Widerstandsformen erklingt. Oh, wie innovativ! Fast so spannend wie das Warten auf die U-Bahn, wenn man sich auf die Umgebungsgeräusche konzentriert.
Verpasste Chancen: Wo bleibt die digitale Perspektive?
Doch das eigentliche Versagen dieser Ausstellung liegt woanders: in ihrer mangelnden Aktualität.
Wir leben im Jahr 2025, in einer Zeit, in der Proteste nicht nur auf der Straße, sondern ebenso in digitalen Räumen stattfinden. Memes, Hashtags, KI-generierte Protestkampagnen – die echten Choreographien des Aktivismus spielen sich längst in den Algorithmen der sozialen Netzwerke ab. Doch davon? Keine Spur in der Ausstellung.
Statt sich mit der realen Dynamik heutiger Protestbewegungen auseinanderzusetzen, bekommen wir wieder einmal eine Ausstellung, die Protest als physische Bewegung romantisiert – ein altmodischer Blick, der völlig ignoriert, wie sich politischer Aktivismus durch Technologien verändert hat. Wo sind die Arbeiten über Hacker-Kollektive? Über KI-generierte Desinformationskampagnen? Über digitale Propaganda und ihre Gegenstrategien? All das wäre relevant gewesen – doch stattdessen hängen wir wieder in einer Galerie fest, in der jemand im Schneckentempo über einen weißen Boden kriecht, während ein Text über „Care in times of crisis“ vorgelesen wird.
Fazit: Revolution ohne Relevanz?
Man kann dieser Ausstellung nicht vorwerfen, dass sie schlecht gemeint ist. Doch das ist auch ihr Problem: Sie ist zu gut gemeint, zu gefällig, zu vorhersehbar. Statt zu provozieren, bleibt sie brav in den Linien des kuratorischen Mainstreams. Statt wirklich etwas zu riskieren, verharrt sie in der Komfortzone kunsttheoretischer Debatten. Und was bleibt am Ende? Ein weiteres wohlmeinendes Projekt, das in seiner Wirkungslosigkeit verhallt.
Protest ist keine Choreographie, sondern ein Aufbruch, ein Sprung ins Ungewisse. Diese Ausstellung aber ist nichts weiter als ein Tanz auf sicherem Terrain.
Bewertung: ★★☆☆☆ (2/5)
Eine ambitionierte, aber letztlich zahnlose Auseinandersetzung mit Aktivismus und Fürsorge – mehr ein gut kuratiertes Seminar als eine künstlerische Notwendigkeit. Wer echte Protestchoreographien erleben will, sollte lieber auf X bleiben.
Mehr Informationen zur Ausstellung: https://ngbk.de/de/programm/programm/activist-choreographies-of-care