Roter Baum im Berufsverkehr

Roter Baum im Berufsverkehr
Foto: Matter Of - CC BY-SA 3.0 DE Kunstmuseum Stuttgart

Stellen Sie sich vor, Sie sind im morgendlichen Berufsverkehr und warten an einer Ampel. Sie blicken auf und sehen… das. Ja, genau das orangefarbene Ungetüm, das sich „Roter Baum“ nennt. Dieser Anblick könnte glatt die Nachrichten von heute über den jüngsten Börsencrash in den Schatten stellen, so surreal und verstörend wirkt er.

Die Skulptur „Roter Baum“ wurde 2005 vom Kunstmuseum Stuttgart erworben und von der Oldenburger Künstlerin Mariella Mosler geschaffen. Gefertigt aus lackierter Bronze und Edelstahl, ist dieses Kunstwerk ein auffälliger Blickfang auf dem Fußgängerübergang mit Blick auf das Stadt Palais. Man könnte fast meinen, die Stadt hätte eine Wette verloren und müsse nun die Bürger mit dieser skurrilen Form der Kunst quälen.

Moslers Intention mag tiefgründig und bedeutungsschwer gewesen sein, doch die Ausführung lässt einen eher an den Schrei eines verzweifelten 3D-Druckers denken, der seine letzten Plastikreserven verschleudert. Die Verfremdung eines natürlichen Baumes in diese verdrehte, orangene Erscheinung könnte als Kommentar zur Umweltzerstörung gesehen werden. Oder vielleicht einfach als eine überzogene Hommage an den schlechten Geschmack.

Die Verwendung von lackierter Bronze und Edelstahl sollte dem Werk eine gewisse Erhabenheit verleihen, doch hier werden diese edlen Materialien zu einem grotesken Symbol der Überheblichkeit moderner Kunst. Das einzige, was diese Skulptur inspiriert, ist die Frage, wie viel sie gekostet hat und ob das Geld nicht besser in eine sinnvolle Verschönerung der Stadt investiert worden wäre.

Ein Platz in einer Stadt wie Stuttgart, bekannt für Präzision und technische Innovation, ist für diese skulpturale Katastrophe fast schon ironisch. Sie steht als Mahnmal für die Anmaßung einer Kunstszene, die glaubt, dass alles, was schockiert, auch automatisch Kunst ist. Vielleicht hat Mosler hier unabsichtlich die perfekte Metapher für den Zustand der zeitgenössischen Kunst geschaffen: bunt, verdreht und völlig aus dem Kontext gerissen.

Die Sitzgelegenheiten, die rund um den „Baum“ verteilt sind, laden dazu ein, innezuhalten und über das Gesehene nachzudenken – oder vielleicht einfach nur darüber zu sinnieren, wie viel Schmerz der menschliche Geschmack ertragen kann. Insgesamt bleibt „Roter Baum“ ein umstrittenes Werk, das eher Spott als Bewunderung erntet.

In einer Welt, die zunehmend von Unsinn und Oberflächlichkeit geprägt ist, erinnert uns Moslers Werk daran, dass nicht alles, was auffällt, auch tatsächlich wertvoll ist. Vielleicht liegt der wahre Wert dieser Skulptur in der Diskussion, die sie anregt – darüber, was Kunst sein sollte und was sie auf keinen Fall sein darf.

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