„Die Ästhetik des Scheiterns: Sarah Morris und der leere Blick auf die Systeme“

„Die Ästhetik des Scheiterns: Sarah Morris und der leere Blick auf die Systeme“
Sarah Morris, Angel (Origami), 2009, Haushaltslack auf Leinwand, 214 x 214 cm, Sarah Morris

Über die Ausstellung, Sarah Morris.

All Systems Fail
21.09.2024 – 09.02.2025 im Kunstmuseum Stuttgart

Die Ausstellung „Sarah Morris. All Systems Fail“ im Kunstmuseum Stuttgart ist, gelinde gesagt, eine monumentale Enttäuschung – sowohl in ihrem Konzept als auch in ihrer Ausführung. Schon der Titel „All Systems Fail“ suggeriert einen aufdringlichen politischen Pessimismus, der sich als tiefsinnig ausgeben möchte, aber letztlich banal und formelhaft bleibt. Morris‘ Arbeiten bewegen sich in einem oberflächlichen Raum, in dem komplexe soziale und politische Mechanismen in visuell gefälligen, aber inhaltlich hohlen geometrischen Kompositionen dargestellt werden.

Die Künstlerin beabsichtigt offenbar, die Architektur als Metapher für Machtstrukturen und gesellschaftliche Ordnung zu verwenden. Doch was sie schafft, ist eine ästhetisch ansprechende, aber letztlich leere Visualisierung von etwas, das deutlich tiefer und nuancierter sein könnte. Die geometrischen Muster, die Morris verwendet, mögen auf den ersten Blick eine technische Präzision vermitteln, doch hinter dieser klinischen Perfektion verbirgt sich wenig Substanz. Sie behauptet, die fragile und fehlerhafte Natur unserer Systeme zu thematisieren, doch diese Thematik bleibt oberflächlich. Die Werke erscheinen wie dekorative Hommagen an die Oberflächenstrukturen des Kapitalismus – glänzend, aber leer, formell beeindruckend, aber inhaltlich schwach. Die Farbfelder sind flach, die Symbolik abgenutzt, die Konzepte wiederholt.

Man fragt sich, wo die tiefere Reflexion bleibt. Es gibt keine echte Konfrontation mit dem Scheitern der Systeme, die Morris anprangern möchte. Ihre Gemälde erinnern eher an das bloße Huldigen der Ordnung, die sie vorgibt zu kritisieren. Die Bildsprache ist distanziert, fast steril, als hätte sie Angst, in die Komplexität der Themen wirklich einzutauchen. Morris setzt auf leicht verdauliche Bildmuster, die sich hinter der Fassade einer kritischen Auseinandersetzung verstecken. Der Versuch, systemische Fragilität auf das Abstrakte zu reduzieren, resultiert nicht in einem aufschlussreichen Dialog, sondern in einer langweiligen Wiederholung.

Die Ausstellung soll den Eindruck erwecken, als sei sie eine scharfsinnige Analyse globaler Machtstrukturen, aber das, was letztlich im Raum hängt, sind kaum mehr als farbliche Variationen von bekannten, postmodernen Konstruktivismen, die nichts Neues zu sagen haben. Weder die Form noch der Inhalt dringen zu einer authentischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Scheitern“ vor. Stattdessen fühlt sich die Ausstellung wie eine leere Geste an – wie die Nachahmung einer kritischen Reflexion, ohne tatsächlich Tiefe oder Risiko zu wagen.

Interessant ist auch, wie Morris ihre eigenen Werke inszeniert. Die sterile Präsentation spiegelt eine Distanz wider, die fast an Arroganz grenzt. Es scheint, als wolle sie nicht zu sehr mit den realen Weltproblemen in Berührung kommen, die sie doch angeblich aufdeckt. Die Arbeiten hängen da, als wollten sie nicht zu tief blicken oder gar emotional herausfordern. Diese kühle Distanz steht in scharfem Kontrast zu den explosiven und drängenden Fragen unserer Zeit – Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, technologische Überwachung –, die Morris angeblich adressieren will. Doch ihre Werke bleiben in einer komfortablen Blase, unantastbar und ohne die dringend nötige Verletzlichkeit, die wirkliche Kunst mit sich bringen sollte.

In der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation in Deutschland, in der die Rolle der AfD und deren Wahlerfolge die Diskussionen dominieren, wirkt Morris’ Ausstellung besonders fehl am Platz. Sie scheint sich auf die globale Bühne zu konzentrieren und ignoriert dabei die lokalen Dramen, die Stuttgart und Deutschland im Jahr 2024 prägen. In einer Zeit, in der politische und soziale Systeme hierzulande tatsächlich vor massiven Herausforderungen stehen, wirkt die Ausstellung wie eine anachronistische Randnotiz aus einem privilegierten Elfenbeinturm.

Sarah Morris, War of Roses (Sound Graph), 2019

Es bleibt die Frage: Hat Morris wirklich verstanden, was es bedeutet, wenn Systeme scheitern? Oder bleibt sie in der sicheren Ästhetik eines kritischen, aber letztlich folgenlosen Kommentars gefangen? „All Systems Fail“ ist ein gescheiterter Versuch, politisch relevant zu sein – ironischerweise vielleicht das einzig Authentische an dieser Ausstellung.

Mehr zur Ausstellung: https://www.kunstmuseum-stuttgart.de/ausstellungen/sarah-morris

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