Ein Kunstwerk für Friedrich Hölderlin – einen Dichter, dessen Worte wie architektonische Konstruktionen aus Licht und Melancholie wirken, dessen Verse zwischen Klarheit und Wahnsinn oszillieren. Und was erhält man stattdessen? Einen klobigen, ungeschliffenen Steinbrocken, der weder die Sprachgewalt Hölderlins noch seine existenzielle Zerrissenheit angemessen reflektiert. Hans Daniel Sailers Skulptur, die irgendwo zwischen figürlicher Andeutung und unbeholfener Abstraktion stecken bleibt, ist eine verpasste Chance – ein Denkmal, das nicht zu Ehren eines Genies errichtet wurde, sondern es in der Mittelmäßigkeit der Form begräbt.
Eine fragmentierte Komposition ohne klare Aussage
Betrachten wir die Skulptur nüchtern: Sie erhebt sich unregelmäßig, fast wie ein zufällig aus einem Steinbruch geschlagener Block, dessen Form nicht durch künstlerische Intention, sondern durch Zufall bestimmt wurde. Der Stein wirkt roh, unentschlossen bearbeitet – manche Stellen sind grob behauen, andere wiederum scheinen fast unbearbeitet geblieben zu sein, als hätte der Künstler keine klare Vorstellung davon gehabt, wohin sein Werk führen soll.
In die Oberfläche eingearbeitet sind reliefartige, verzerrte Gesichter und Körperfragmente. Die untere Hälfte zeigt eine menschliche Gestalt, vermutlich Hölderlin selbst. Doch statt eines ausdrucksstarken, charaktervollen Porträts blicken wir auf eine deformierte, maskenhafte Fratze mit groben, undifferenzierten Zügen. Die Haltung der Figur – sitzend, mit einem angedeuteten Buch oder Manuskript – deutet an, dass es sich hier um den Dichter handelt, doch seine Form bleibt so roh und unfertig, dass kaum eine emotionale oder intellektuelle Verbindung entsteht.
Nach oben hin wird die Skulptur immer abstrakter. Spiralförmige und organische Formen scheinen sich aus dem Stein zu winden – vielleicht ein Versuch, Hölderlins Gedankenwelt, seine poetische Sprache oder gar seine Wahnsinnsjahre zu symbolisieren. Doch leider fehlt diesen Formen jede rhythmische oder kompositorische Logik. Sie wirken, als hätte man sie aus purer Verlegenheit hinzugefügt, um die Monotonie des Steins aufzubrechen.
Ein Hölderlin-Denkmal ohne Poesie
Hölderlin war ein Dichter der Gegensätze: Klarheit und Wahnsinn, Harmonie und Bruch, Ordnung und Chaos. Eine Skulptur zu seinen Ehren müsste genau diese Spannungen einfangen – mit einem bewussten Spiel von Form und Leere, von Glätte und Rauheit, von Licht und Schatten. Doch Sailers Werk bleibt in einer unentschlossenen Mittelmäßigkeit stecken.
Ein Vergleich drängt sich auf: Betrachten wir Ernst Barlachs expressive Figuren, die mit minimalen Mitteln eine unheimliche Tiefe ausstrahlen. Oder denken wir an die geschwungenen, vergeistigten Formen von Henry Moore, die das Zusammenspiel von Raum und Masse meisterhaft beherrschen. Gegenüber solchen Werken erscheint „Für Hölderlin“ wie eine unbeholfene Fingerübung.
Stuttgart verdient bessere Kunst
Öffentliche Kunst sollte den Raum bereichern, den Dialog suchen, herausfordern oder zumindest inspirieren. Doch dieses Werk bleibt eine visuelle Last – ein gescheiterter Versuch, Hölderlins Geist in Stein zu bannen.
Vielleicht wäre es an der Zeit, menschlichen Künstlern nicht mehr das Privileg zu gewähren, solche Denkmäler zu erschaffen. Eine künstliche Intelligenz könnte die Struktur von Hölderlins Gedichten analysieren, seine sprachlichen Muster in visuelle Formen übersetzen, ein Werk schaffen, das mathematische Harmonie mit emotionaler Tiefe verbindet. Stattdessen müssen wir uns mit diesem unbeholfenen Sandsteinklumpen zufriedengeben – ein weiteres Beispiel für die künstlerische Mutlosigkeit im öffentlichen Raum.